Hardtwald: Hirschgarten und Biberburg

 

Hier soll der Blick auf die letzten markanten Reste des Hirschgartens mit der Biberburg, dem Hügel und dem Brunnen gelenkt werden, die wenig bekannt sind, obwohl sie über die Sichtachse mit dem Fassanenschlösschen interagieren und mit diesem ein Gartenensemble darstellen.

Aktuell lassen sich noch problemlos die einstigen Bemühungen des Fürstenhofs erkennen, in diesem flachen Terrain eine abwechslungsreiche Gartenanlage nach modernstem Geschmack zu schaffen, die sowohl das Angenehme mit dem Nützlichen verband. Sollten jedoch weitere Eingriffe in die ohnehin geschädigte Gartenstruktur vorgenommenen werden, droht ein einzigartiges Zeugnis für die Karlsruher Stadtgeschichte für immer zu verschwinden. Insbesondere die Biberburg sollte als eine der letzten ihrer Art erhalten bleiben, ermöglichen die Reste doch eindeutig, auch im Kontext der Fasanerie, die Menageriekultur im 18. Jahrhundert vor Ort nachzuvollziehen. Auch sollte berücksichtigt werden, dass dieser Ort von keinem geringeren als Thomas Jefferson, einem der Gründungsväter der westlichen Demokratien, besucht und beschrieben wurde.

Der Fasanen- und Hirschgarten im Karlsruher Schlosspark. Ein (fast) vergessenes Zeugnis fürstlicher Gartenkultur in Karlsruhe

1
Karlsruhe, Fasanenschlösschen mit Pavillons, Ansicht von Norden, Foto: Georg Kabierske

Sei es auf dem Weg zur Arbeit oder bei einem Spaziergang durch den Schlosspark, vielen Karlsruhern fällt das an der Achse östlich des Schlossturms gelegene orientalisch anmutende Fassanenschlösschen mit seinen beiden erhaltenen Pavillons auf. 1764/65 im Stil der zeitgenössischen Orientmode in Erinnerung an chinesische Palastanlagen errichtet, diente dieses repräsentative Gebäudeensemble mit seinen ehemals mehr als acht Pavillons der Fasananenzucht und Jagd sowie als Ort für festliche Anlässe. Um 1780 wurde der nördlich daran angrenzende waldähnliche Park im landschaftsimitierenden englischen Gartenstil mit gewundenen Wegen und einem Teich, der heute noch als Vertiefung im Wald erkennbar ist, gestaltet.

3
Karlsruhe, Fasanengarten, Tempelruine am Grünen Stück, Foto: Georg Kabierske

Zeitgleich legte man auch die noch heute vorhandene, von der Mitte des Hauptgebäudes zwischen den Pavillons nach Norden verlaufende Achse an, deren Umgebung 1788 durch Hofgärtner Johann Michael Schweikert landschaftlich gestaltet wurde. Eine in der Mittelachse liegende Wiese, „Grünes Stück“ genannt, wurde durch Wege seitlich gerahmt und mit exotischen Bäumen bepflanzt. An den Seiten standen, teilweise von Bäumen verdeckt, verschiedene Pavillons, die sukzessive auch noch im frühen 19. Jahrhundert eingefügt wurden. Heute zeugen nur noch Reste von einem tempelartigen Fasanenhaus, das 1805 zu Versuchszwecken aus dem in Untergrombach gefundenen Tuffstein von Maurermeister Müller errichtet worden ist. Gegenüber auf der anderen Waldseite wurde die sogenannte Wolfsgrube, eine mit Grundwasser gefüllte Vertiefung, angelegt, mit Felsen eingefasst sowie mit einem kleinen Inselhaus ausgestattet. Darüber hinaus lassen sich noch zwei weitere Bauten in dem Garten auf Plänen ablesen, über die nichts weiter bekannt ist.

Der nördliche Endpunkt der Achse im sogenannten Hirschgarten wurde 1786 bis 1789 mit verschiedene Gartenattraktionen ausgestattet.

 

Die Biberburg

Hierzu zählt auch die sogenannte Biberburg von 1788, von der noch die nach Süden spitz zulaufende Vertiefung mit rundem Becken, kleiner Wassertreppe und von Felsen eingefasstem Bassin erhalten sind. Um das kreisrunde, aus großen Sandsteinplatten zusammengesetzte Becken waren ehemals vier kleine durch Laternen bekrönte Pavillons geplant, die als Biberunterkunft fungieren sollten. Aus Kostengründen wurden aber nur zwei ausgeführt. Damit die extra in Salzburg erworbenen Biber nicht entkamen, wurde die Anlage mit einer vier Fuß hohen Brustmauer umgeben.

Thomas Jefferson, der spätere dritte Präsident der Vereinigten Staaten, beschreibt im Tagebuch seiner Rheinreise im Jahr 1788 auch die Biberburg in Karlsruhe, wobei er etwas andere Maße (vielleicht amerikanisches Fußmaß) angibt:

„A litte inclosure of stone 2 1/2 feet high and 30 feet diameter in which are two tamed beavers. There is a pond of 15 feet diameter in the center and at each end a little cell for them to retire into, which is stowed with boughs and twigs with leaves on them which are their prinzipal food. They eat bread also. Twice a week the water is changed. They cannot get over this wall.“

Die Biber wurden sicherlich nicht für den Verzehr an der Hoftafel gehalten, waren es dafür doch zu wenige und der Aufwand, mit dem sie nach Karlsruhe gebracht wurden, zu groß. Wahrscheinlicher ist, dass die durch intensive Bejagung in der Natur schon selten gewordenen Tiere aus naturwissenschaftlichem Interesse sowie als Kuriosität gehalten wurden, wie es gleichfalls an anderen Höfen üblich war. Laut Georges Louis Leclerc de Buffon gab es auch einen Biber in der Menagerie von Versailles. Eine Biberhütte mit lebendigen Bibern lässt sich ebenso für den Schlossgarten von Nymphenburg bei München nachweisen, sie wird in Beschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts erwähnt.

6
Karlsruhe, Hirschgarten, Hügel der Hirschhütte, Foto: Georg Kabierske

Die Hirschhütte

Einen guten Blick auf die Biber im Tal musste man von der nördlich davon 1788 auf einem künstlichen Hügel errichteten Hirschhütte gehabt haben (hier Foto der Hirschhütte von Wilhelm Kratt). Bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befanden sich hier zwei ursprünglich mit Stroh gedeckte Pavillons, die mit einer dreiachsigen, durch hölzerne Arkaden gegliederten offenen Halle verbunden waren. Die Wände waren im originalen Zustand wahrscheinlich mit Rinde verkleidet, in den Dachreitern befanden sich kleine Glocken. Über die Innenräume ist nichts bekannt, diese dürften aber auch eher einfach gestaltet gewesen sein. Das auch als Eremitage oder Waldklause bezeichnete Haus diente als Rückzugsort des Markgrafen Karl Friedrich.

8
Karlsruhe, Hirschgarten, Pavillon auf der Fasanengartenmauer, Foto von Wilhelm Kratt 1910, GLA Karlsruhe, 498-1 Nr. 5985

Der Pavillon auf der Mauer

Dahinter, immer noch im Verlauf der Achse, lassen sich im Boden die Spuren eines ehemaligen Wasserbeckens ablesen. Den spektakulären Endpunkt der vom Fassanenschlösschen kommenden Achse bildete ein auf der Fasanengartenmauer im frühklassizistischen Louis-seize Stil errichteter achteckiger Pavillon mit umlaufender Terrasse und zweiteiliger Freitreppe. Die Fassaden des 1786 von Wilhelm Jeremias Müller geplanten und 1788 ausgeführten Baues waren mit illusionistischem Architekturdekor in vorgetäuschten Nischen in Ockergelb und Sienarot bemalt, die große Urnen, verziert mit Hirschgeweihen und Draperien, zeigten. Das Erdgeschoss ermöglichte den Durchgang in den Wildpark und war massiv gebaut. Hingegen wurde das Obergeschoss, das im Inneren mit vier Landschaftsfresken geschmückt war, in Fachwerk aufgesetzt. Unbeschädigt durch den Krieg gekommen, wurde der Pavillon erst 1954 für das Wildparkstadion abgebrochen. Heute schließt an dieser Stelle ein gestaltloses Gittertor und eine profane Ansammlung von Toilettencontainern, Plakatwänden und Imbissbuden den Hirschgarten ab.

9
Karlsruhe, Hirschgarten, Standort des Pavillon auf der Fasanengartenmauer, Foto: Georg Kabierske

Der Brunnen

In Zusammenhang mit der Wasserversorgung dieser Baulichkeiten steht auch die östlich davon errichtete Pumpbrunnenanlage, von der heute noch eindrucksvolle Reste im Wald erhalten sind. Über einem gemauerten Brunnenschacht und von einem Unterbau aus genuteten Sandsteinplatten getragen, steht ein aus einem Quader gearbeiteter Wasserkasten mit auf der Vorderseite abgeschrägten Ecken, in dem das heraufbeförderte Wasser gesammelt wurde. An der Front zeugt noch eine runde Öffnung von einem einst hier eingesetzten Auslaufrohr, aus dem sich das Wasser in das davor befindliche ebenso aus einem Stück gearbeitete halbrunde Sandsteinbecken (mit) ergoss. Letzteres ist heute aus seiner Fassung gerissen und um rund einen halben Meter nach vorne verschoben. Die abgerundeten Ecken und die gerade Vorderseite sind von einer kräftigen Wulst betont. Wie Spolien von barock geohrten Gewänden vor Ort zeigen, hat man für den Bau des Brunnens offenbar älteres Baumaterial wiederverwendet. In der Nähe befanden sich ferner noch ein Bockstall sowie ein Schießstand mit gemauertem Kugelfang.

10
Karlsruhe, Hirschgarten, Brunnen, Foto: Georg Kabierske

Die Wildhütte

Die letzte größere Attraktion im Hirschgarten war eine im Osten gebaute Wildhütte, die stilistisch sehr der vorhin beschriebenen Hirschhütte ähnelte. Vor dem Bau befand sich ein Suhle für das Wild. Der Entwurf von Wilhelm Jeremias Müller ist wie die anderen Projekte mit 1786 datiert, die Ausführung erfolgte wahrscheinlich erst 1789. An den zweigeschossigen, unten durchlässigen und mittig liegenden Rundbau schlossen sich schmale Seitenflügel an. Diese waren durch jeweils drei Holzkolonnaden nach vorne geöffnet, an der Hinterwand befanden sich dagegen die Futterkrippen. Das Obergeschoss des Rundbaus, das auf einer dreibogigen Holzarkade ruhte, diente zur Lagerung des Futters und war nur über eine Leiter zugänglich. An der Außenwand des Mittelbaus sowie auf den Türmchen der mit Stroh gedeckten Dächer waren Hirschgeweihe befestigt. Die Fassadenverkleidung bestand aus Rinde. Möglicherweise wurde der Bau bei der Auflösung des Hirschgartens 1867 abgetragen, die Suhle war in den 1930er-Jahren noch im Gelände ablesbar.

11
Wilhelm Jeremias Müller, ausgeführter Entwurf für die Wildhütte im Hirschgarten, 1786, aquarellierte Federzeichnung, GLA Karlsruhe, Bauplan No. 396.

Aus einer Beschreibung von 1787 von Christian Gottlieb Schmidt geht hervor, dass die im Garten gehaltenen Tiere nicht ausschließlich zum Jagen gedacht waren. So gab es auch „eine Herde angorischer Ziegen, aus deren Haar ein sehr feines Tuch gewebt wird, und dann     eine Kolonie Seidenhasen, [….] deren Haare man wie die feinste Seide spinnet, und ein  treffliches äußerst sattes Tuch daraus webet“.

Darin spiegelt sich das Interesse eines aufgeklärten und weltoffenen Fürsten wider, der am wirtschaftlichen Fortschritt seines Landes interessiert ist.

Hirschhütte und Wildhütte lassen sich in die Mode der Rindenhütten einordnen, die in zahlreichen Gärten des 18. und 19. Jahrhundert Verwendung fanden. Oftmals dienten sie als Rückzugsort des Fürsten in seinem Garten und sollten die Einfachheit und Natürlichkeit des Lebens repräsentieren, wie beispielsweise die nahezu gleichzeitig 1787 entstandene Eremitage im Fürstenlager bei Bensheim-Auerbach oder etwa die Einsiedelei-Kapelle in der Eremitage in Bayreuth von 1823.

Müller plante 1786 einen weiteren aufwändig gestalteten Pavillon im Stil des Louis-seize in der Nordostecke des Hirschgartens auf der Parkmauer, wo der Klosterweg im spitzen Winkel auf die Blankenlocher Allee stößt (siehe Plan unten). Der Pavillon sollte auf einer, bedingt durch den Straßenverlauf, dreieckigen Terrasse stehen, zu der eine zweiläufige, an den Parkmauern entlang geführte Treppe hinaufführen sollte. Die Eingangsseite des Pavillons auf der Terrasse wird durch einen Portikus betont. Für den Pavillon selbst sind zwei Alternativen gegeben: zum einen ein sechseckiges, schlichtes Gebäude mit giebelgekröntem Eingang, zum anderen ein durch zwei zusätzliche Giebel samt Säulen geschmückter Rundbau. Auch wenn das Gartenhaus auf dem gedruckten Stadtplan der 1790er-Jahre von J. B. Haas „Plan oder Grundriss von der Hochfürstl. Marggraefl. Badischen Residenz Stadt Karlsruhe“ verzeichnet ist, so spricht dennoch nichts für seine Ausführung.

(Georg Kabierske)

13
W. Eichrodt, Plan über die Großherzogliche Fasanerie, nach 1805, aquarellierte Zeichnung, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Kupferstichkabinett, Plansammlung.

Nummern im Plan über die Großherzogliche Fasanerie (nach 1805):

  1. Fasanenschlösschen mit Pavillons
  2. ehem. Teich
  3. Tempelruine aus Tuffstein
  4. Wolfsgrube
  5. Biberburg
  6. Hirschhütte
  7. Pavillon auf der Mauer
  8. Brunnen
  9. Bockstall und Schießstand
  10. Wildhütte mit Suhle
  11. projektierter Pavillon an der Gartenecke