Rüppurr: Dammerstock-Siedlung

Mit der Dammerstock-Siedlung besitzt Karlsruhe ein bedeutendes Kulturdenkmal, das auch internatio­nal als hochrangiges Zeugnis der Bauhaus-Ideen gilt. Als Generalplaner und künstlerischer Oberleiter hat Walter Gropius, Gründer und Leiter des Bauhauses, nach einem Wettbewerbserfolg diese Muster­siedlung realisiert, die im Herbst 1929 mit der Ausstellung „Die Gebrauchswohnung“ ein großes Echo fand.

Konzeption, Typus und Aussehen sind eng mit den Leitbildern des Bauhauses verbunden, auch wenn Gropius beim Wettbewerb 1928 gerade die Direktion der Dessauer Schule niedergelegt hatte und andere renommierte Architekten der Moderne, Franz Roeckle aus Frankfurt, Wilhelm Riphahn aus Köln und Otto Haesler aus Celle, aber auch Karlsruher Architekten beim Bau der Häuser eingebunden waren. Seit 1942 zerstört ein von den Nationalsozialisten errichteter Bunker die Pläne von Walter Gropius, in denen er seither wie ein störender Fremdkörper wirkt.

Irritierend ist, das just im Bauhaus-Jahr 2019 unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit nicht etwa der Abbruch des Nazi-Bunkers sondern sogar eine Überbauung des Nazi-Bunkers im Herz der Siedlung vorangetrieben wird, die Struktur und Erscheinungsbild des Dammerstocks noch weiter zu beeinträchtigen droht. Die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild (ArKaS) meldet grundsätzliche Vorbehalte gegen eine Überbauung an. Sie sieht jeglichen Neubau an dieser Stelle, egal wie hoch und in welcher Form er ausfallen würde, als eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Konzeption von Walter Gro­pius, ja einen Schlag gegen das kulturelle Erbe des Bauhauses. Die Gründe dafür werden anhand von Bildern im Anhang erläutert.

Pläne für die Überbauung des Nazi-Bunkers 1970

Schon zweimal stand eine Überbauung des großflächigen, ein Geschoss hoch aus der Erde ragenden Bunkers aus dem Jahr 1942 zur Diskussion. Zunächst um 1970, als Helmut Bätzner, der Architekt des Badischen Staatstheaters, ein Terrassenhochhaus im Brutalismus-Stil jener Jahre an dieser Stelle vorschlug. Das Projekt wurde glücklicherweise schnell wieder zu den Akten gelegt , da der Bund als Eigentümer des Bunkers eine solche Planung ausschloss und danach den Bunker sogar auf den neuesten Stand der Technik brachte. Leider hat man dabei die ursprüngliche Verkleidung mit roten Sandsteinquadern entfernt und durch Betonfertigteile ersetzt. Anfang der 1990er-Jahre versuchten Rossmann+Partner ihr Architekturbüro im benachbarten Waschhaus durch eine Aufstockung des Bunkers zu erweitern. Vehemente Proteste von couragierten Anwohnerinnen ließen diese Absicht schließlich auch scheitern.

Aktuelle Pläne für die Überbauung des Nazi-Bunkers 2019

Nun wird das Thema neu aufgewärmt. Die Baugenossenschaft Hardtwaldsiedlung möchte hier in einem Neubau Wohnungen oder eine KITA realisieren. Die Überle­gungen scheinen schon weit gediehen: Architekturstudierende des KIT haben sich im Rahmen eines Seminars Gedanken dazu gemacht. Das Stadtplanungsamt hat die Überlegungen bereits im ver­gangenen Jahr dem Planungsausschuss und dem Gestaltungsbeirat vorgestellt, und niemand scheint dabei Bedenken zu haben.

Es steht zu befürchten, dass das Stadtplanungsamt – wie in letzter Zeit häufiger geschehen (Bebauung der Hardtwaldsiedlung am Fasanengarten, Erweiterung des Schlosses Augustenburg in Grötzingen, Neubau Blücherstraße20/ Dragonerstraße 6, Neubebauung des Landratsamts am Ettlinger Tor) – auch hier kulturgeschichtliche und stadtbildpflegerische Aspekte dem Nach­verdichtungsdruck opfert.

In Berlin werden vergleichbare Siedlungen der Zwanziger Jahre als Weltkulturerbe geschützt, in Karlsruhe sieht man darin nur Potential für Veränderung. Müssen wir also damit rechnen, dass Stadt und Hardtwaldsiedlung in völliger Verkehrung der Tatsachen demnächst ein Neubau­projekt unter dem Titel „Gropius weiterdenken“ anzupreisen versuchen?

Dammerstock-Siedlung nach Gropius‘ Plänen erhalten

Die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild ist der Auffassung, das wahre Geschenk der Stadt Karlsruhe zum Bauhausjahr kann nur der Abbruch des Bunkers und die Wiederherstellung der ur­sprünglichen Freifläche sein. Als billigere Alternative könnte ein rundum als auch auf dem Dach begrünter sowie begehbarer Bunker den ursprünglichen städtebaulichen Intentionen des Bauhau­gründers zumindest ein Stück weit entgegenkommen.

Generalplan
Der Generalplan für den Dammerstock von Walter Gropius 1929

Deutlich ist auf dem Generalplan von Gropius zu sehen ist, dass der Bereich des späteren Bunkers (gelb markiert) als öffentliche Grünflä­che gedacht war, die stadträumlich für die Siedlung eine Schlüsselrolle spielen sollte. Während die strengen Zeilen der Wohnhäuser einen monotonen Takt angeben, sollte hier durch eine Umbauung von drei Seiten mit zwei Miethauszeilen und dem quergestellten Waschhaus eine platzartige Situation entstehen. Am Hauptzugang der Siedlung von Norden, dort wo als Geminschaftseinrichtungen Gaststätte, Heizzentrale und Waschhaus angesiedelt wurden, sollte nach dem Durchqueren der tor­artigen Durchfahrt der heutigen Danziger Straße ein klar definierter Platz den Auftakt zu den Wohn­zeilen bilden.

Historisches Foto 1929
Historisches Foto Dammerstock von 1929 (Stadtarchiv 8/Bildstelle/III/0357)

Blick von Südwesten auf das Waschhaus und die Wohnhauszeile an der Danziger Straße. Das Bild vermittelt einen Eindruck davon, wie die Randbebauung vor Errichtung des Bunkers einen Platz defi­nierte. Da Bebauung und Begrünung um 1930 wegen der Weltwirtschaftskrise und nach 1933 durch das Verdikt des Nationalsozalismus gegen das Neue Bauen nicht weitergeführt wurde, konnte Gro­pius’ Konzept nie vollendet werden.

Situation 2018
Danziger Straße, Situation 2018 (links: Bunker)

Heutiger Blick entlang der Danziger Straße auf die Durchfahrt durch das Waschhaus. Links der 1942 errichtete Bunker, der die intendierte Platzwirkung verhindert. Seine Aufstockung würde die Danziger Straße zu einer konventionellen Stadtstraße mit einer beiderseitigen Bebauung machen, genau das, was Gropius und der fortschrittliche Städtebau des Bauhauses ausschließen wollten.

Deutlich auf dem Luftbild zu sehen ist die öde Dachfläche des Bunkers, der die von Walter Gropius konzipierte und sonst erhalten gebliebene Struktur der Siedlung stark stört. Eine wie immer geartete Überbauung, egal in welcher Höhe oder Bauflucht, würde die städtebauliche Aussage des Dammerstocks in noch viel stärkerem Maße beeinträchtigen. Dort wo Gropius den einzigen Platz der Siedlung  vorsah, darf keine Nachverdichtung baulicher Art stattfinden!

Dammerstock Karlsruhe; Luftbild 2018