Büros und Banken dominieren zum Beispiel die Ludwig-Erhard-Allee in Karlsruhe. Das kritisiert Harry Block und spricht sich für mehr Wohnbebauung in der Innenstadt aus. Nur so bleibe eine Stadt lebendig, schreibt Block. Hier sein Text als Gastbeitrag:

„Die Erkenntnisse von heute sind nicht selten die Irrtümer von morgen“, hat einmal jemand gesagt. Kürzer kann man die Halbwertzeiten der Planung unserer City aus dem Rathaus in den letzten Jahren wohl kaum zusammenfassen. „Vorhabenbezogene Bebauungspläne“ heißt das im Amtsdeutsch. Es ist schwer, gegen das Ansinnen eines Investors wie dem Landkreis Karlsruhe zu argumentieren, der wichtige Aufgaben für die Bevölkerung wahrnimmt und sozusagen nur alt gegen neu ersetzen will. Das ist aber noch kein Grund, an dieser zentralen Stelle ein neues Landratsamt zu bauen.
Schon das alte ehemals Badenwerkhochhaus war eine neue Form von Repräsentationsarchitektur, die mit dem Leben der Stadt sehr wenig zu tun hatte. Die Frage nach der Zukunft unserer Innenstadt, die seit ihrer Gründung 1715 nicht nur Ort des Wandels, sondern auch solche des Wohnens und Handels ist, treibt die Restbewohner der City wie den Einzelhandel um. Bei Letzterem geht es in Corona-Zeiten um das ökonomische Überleben, weil eine internetvertraute Generation bald nicht mehr weiß, dass es Innenstädte gibt und darin Läden mit Ware zum Anfassen.
Nach den betriebs- wie volkswirtschaftlichen Fragen, die auf Umsatz und Rendite zielen, stellt sich gesamtgesellschaftlich aber noch viel drängender die Frage, was aus den Innenstädten wird, wenn mit dem stationären Handel auch gleichzeitig das Wohnen verschwindet. Die Ludwig-Erhard-Allee zum Beispiel ist gekennzeichnet durch Verwaltungsgebäude aller Art.
Das Wohnen muss zurückkehren in die bei uns durch falsche Planungspolitik viel zu teure Innenstadt. Das perfekt ineinandergreifende System, das die europäische Stadt auszeichnet – oben wird gewohnt (Privatraum) und im Erdgeschoss (öffentlicher Raum) wird gelebt – muss belebt werden. Dazu fehlt aber die Aufenthaltsqualität in unserer City. Sieht der Gemeinderat nicht, dass auch in Karlsruhe die Entwicklung auf abends völlig entvölkerte Innenstädte zustrebt und die Verkehrslawine sich zweimal, ob im privaten Pkw oder im ÖPNV, durch die Stadt zu den Arbeitsstätten wälzt? Wäre es nicht Zeit, an diesem Ort die Ansiedlungspolitik und den damit verbundenen Verkehr neu, von den nicht motorisieren Verkehrsteilnehmern aus rund um das Ettlinger Tor zu planen? Wenn zwischen neuer Kriegsstraße/Ettlinger Straße und Baumeisterstraße nicht Autos, sondern Fußgänger den Rhythmus bestimmen würden, begleitet von Radfahrern, Straßenbahnen, Taxis und ein paar Lieferwagen, – die B10 läuft ja durch den Tunnel – dann ließe sich ausprobieren, wie eine Stadt-Mitte für alle funktioniert. Und es wären einige Probleme der Freiflächengestaltung rund um das jetzige Landratsamt und den Komplex Staatstheater, Stadt- und Schwarzwaldhalle leichter zu lösen.
Um die vielfältigen Zielkonflikte aufzulösen, ist ein systematischer Ansatz durch ein Stadtentwicklungskonzept erforderlich und kein gutgemeinter Konsensfindungsclub für den Bau des Landratsamtes. Zielkonflikte müssen unter Einbeziehung des ganzen Quartiers City diskutiert werden. Es bedarf grundsätzlich deutlich effizientere Konzepte als die Betrachtung eines Einzelgebäudes. Die Einrichtung einer Wohnungsbau- und Verkehrskoordinatorin wäre dabei hilfreich. Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, was uns die Stadt als Lebensraum wert ist in der Ära der Urbanität. Man will wohnen in der Stadt – und nicht am Rand. Und man will Handel-, Kultur- und Gastronomieangebote wertschätzen, die es verdienen, den öffentliche Raum zu besetzen. Ein Landratsamt kann doch auch am Rande der Stadt gebaut werden, sodass sich deren Beschäftigte nicht jeden Morgen von ihren Schlafstätten im Umland in die zentrale Innenstadt bewegen müssen. (Harry Block)
Veröffentlichung des Textes mit freundlicher Genehmigung des Autors. Vielen Dank!
Zum Autor: Harry Block gehörte von 1989 bis 2004 dem Karlruher Gemeinderat an.
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