BAUHAUS in Karlsruhe

Bauhauskatalog

In Karlsruhe gibt es nur ein einziges Bauwerk, dem die Bezeichung "BAUHAUS" zusteht: die Dammerstock-Siedlung. Für diese von Walter Gropius entworfene Siedlung ist Karlsruhe national und international berühmt. Der Dammerstock ist mit anderen Siedlungen in Stuttgart oder Berlin, die Welterbestätten sind, zu vergleichen.

Nachdem sich in der allgemeinen Wahrnehmung nun das Bauhaus-Jubiläum als „Event“ des Jahres herausschält, geraten auch die baulichen Zeugnisse, die angeblich oder tatsächlich mit dem Bauhaus in Bezug stehen, zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit.

Gerne werden dabei irreführend auch Bauten reklamiert, die in einer wie auch immer gestalteten ‚modernen‘ Form sind, die auf jeden ersten Blick zu einem Label „Neues Bauen“ passen – die aber in keinem Kontext zum Bauhaus stehen. Alles ist ziemlich komplex und wenig verdaulich für Gemüter, die alles nur in eine Schublade werfen wollen. Der Aufkleber „Bauhaus“ ist auf dieser Schublade völlig fehl am Platz.

Im Zuge von Sammlungen wie „Bauhaus 100“ oder  „Grande Tour der Moderne“ passiert es dann, dass plötzlich Gebäude wie etwa die Karlsruher Schwarzwaldhalle (erbaut 1953) zu Zeugnissen des Bauhauses werden. Aber nicht jedes modern erscheinende Gebäude ist ein Zeugnis des Bauhauses. Die Schwarzwaldhalle etwa ist ein herausragendes Zeugnis der Nachkriegsarchitektur und sicherlich als erste Hängedachkonstruktion von herausragender Bedeutung. Nur: BAUHAUS ist sie nicht.

Aber was ist Bauhaus? In Karlruhe nur die Dammerstock-Siedlung, gebaut von Walter Gropius, dem Bauhaus-Gründer.

Und nun zur Liste der Karlsruher Bauten, die oft irreführender Weise mit dem Label „Bauhaus“ in Verbindung gebracht werden:

Die Sporthalle im Unterbau der Tribüne des Hochschulstadions, das Hermann Alker 1925–31 plante und in Bauabschnitten errichtete (der Ausführungsentwurf stammt von 1927), ist ein Zeugnis der expressionistischen Architektur in den 1920er Jahren. Das Motiv des Spitzbogens ist in dieser Richtung sehr beliebt gewesen: Bauhaus ist es allerdings nicht.

Das Flughafengebäude an der Erzbergerstraße, errichtet 1934/35 vom Städtischen Hochbauamt, ist ein Dokument der Naziarchitektur (!!!) in Karlsruhe mit Walmdächern und Werkstein an der Fassade. Es wurde geradezu als Gegenbeispiel gegen die im Nazistaat verachtete „kulturbolschewistische“ Architektur der Weimarer Republik und damit gegen das Bauhaus verstanden.

Rheinstrandbad und Vogelwarte , errichtet 1928/29 vom Städtischen Hochbauamt unter Robert Ammann, sind gute Beispiele dafür, wie Baubürgermeister Hermann Schneider genau gleichzeitig mit der Ausschreibung für den Wettbewerb für den Dammerstock im Sommer 1928 seine Ämter ebenfalls auf das „Neue Bauen“ einschwor. Zuvor war die Stadt einer noch von Friedrich Ostendorf beeinflussten Rezeption des Bauens um 1800 verpflichtet. Jetzt orientierten sich die beamteten Architekten an Beispielen des Neuen Bauens, wie sie in den Fachzeitschriften und auf Ausstellungen zu sehen waren. Das Bauhaus spielt für diese Bauten direkt gar keine oder nur ein äußerst marginale Rolle. Eher sind Vorbilder aus dem „Neuen Frankfurt“ von Ernst May und seinen Architekten, von Le Corbusier in Frankreich, und der Bewegung „De Stijl“ in Holland festzustellen.

Das gleiche gilt für die beiden 1930 errichteten Wohnhäuser  in der Hildapromenade von Fritz Rössler, westlich des Haydnplatzes. Hinzu kommt ein interessantes Backsteinhaus in Rintheim, das offenbar noch niemand bewusst wahrgenommen hat.

Der Wohnblock von Hermann Alker am Albtalbbahnhof, errichtet ab 1929, rezipiert ebenfalls nicht Bauten der Bauhaus-Lehrer. Sie hätten sich niemals eine solche Blockrandbebauung eingelassen. Hier sind die Einflüsse von Münchner und Wiener Gemeindewohnbauten viel augenfälliger. Auch dort gibt es solche Blockrandbebauungen, Flachdächer, Gebäudekubaturen, Erkervorbauten und Sichtbetonteile in Durchfahrten und Treppenhäusern.

Bislang nicht aufgeführt, aber ein wichtiges Beispiel für das Neue Bauen in Karlsruhe ist der Wohnblock einer Eisenbahner-Genossenschaft an der Stuttgarter Straße in der Südstadt. Er wurde ab 1931 geplant und größtenteils erst nach 1933 realisiert, was zu politischen Komplikationen führte. Im Unterschied zum Alker-Wohnblock wird bei dieser Blockrandbebauung Hamburger Backsteinbau des Neuen Bauens um 1930 rezipiert.

Die Karl-Apotheke ist oder besser: war ein wunderbares Dokument für den „Stil 1930“, wie Klaus Sembach diese Richtung des Neuen Bauens genannt hat, der sich Ende der Zwanziger Jahre international durchgesetzt hat: Flachdach, viel Glas, Transparenz, Leichtigkeit, neue Baukonstruktionen und prägender Einsatz von Lichtreklame, das ganze mit einem Anflug von Luxus und weiter Welt. Den Pavillon könnte man am ehesten mit den Werken von Erich Mendelssohn in Zusammenhang bringen, der seinerseits michts mit dem Bauhaus zu tun hat.

 

  • Das Bauhaus

    Als Kunstschule vor 100 Jahren – 1919 – gegründet, war das Bauhaus als eine Zusammenführung von Kunst und Handwerk konzipiert. Etwas „völlig Neues“ war dies keineswegs. Das war schon seit William Morris im England der 1860er Jahre Hauptthema der Avantgarde und wurde schlichtweg das Credo des Jugendstils, das seit der Mitte der 1890er Jahre in Kunstgewerbeschulen, Künstlerkolonien und Kunstwerkstätten in ganz Europa breit in die Praxis umgesetzt wurde. Das Bauhaus hat sich explizit an diese Tradition angehängt, im Weimar 1919 zunächst mit einer individuellen, grob-handwerklichen Formensprache und einem okkulten Mystizismus, ab 1923 immer stärker zu einer sachlichen, funktionalen, rationalen, reduzierten, an der Industrieform orientierten Ästhetik, die in der Dessauer Zeit ihren Höhepunkt erfuhr.

    Gelehrt wurde das Fach Architektur am Bauhaus nur in der Zeit von 1928–33. Und das Bauhaus trat  selbst auch nie als Architekt auf. Das waren bestenfalls Bauhaus-Lehrer und Bauhaus-Schüler mit ihren Privatbüros. Im Bauhaus-Manifest von 1919 steht in etwa: Alle Gestaltung führt zur Architektur hin. Das Bauen war also schon bei der Gründung 1919 zentral im Fokus, auch wenn es noch nicht gelehrt wurde und die Schule in Weimar in den Jugendstilgebäuden der alten Kunstgewerbeschule von Henry van de Velde untergebracht war.

    Von der rechtskonservativen Thüringer Landesregierung vertrieben, übersiedelte das Bauhaus 1925 auf Einladung der Stadt Dessau nach dorthin. Gropius und sein privates Büro bauten das programmatisch verstandene Schulgebäude und die „Meisterhäuser“ als Dienstwohnungen für die wichtigsten Lehrer. Das waren alles kommunale Bauten und die Stadt war es auch, die von Gropius das Arbeitsamt und die Siedlung Dessau-Törten errichten ließ. Ein Bauhaus-Schüler hatte zudem die Gelegenheit, ein Restaurant am Ufer der Elbe in Dessau zu errichten. Schon 1928 hatte Gropius die Nase voll von den ständigen innenschulischen Querelen, kündigte und zog nach Berlin. Die Dammerstock-Siedlung hat er von Berlin aus mit seinem Privatbüro realisiert.

    Bauhauskatalog
    Der Katalog der „Gebrauchswohnung“ der Dammerstock-Siedlung wurde gestaltet von Kurt Schwitters.