So wichtig das Projekt des „Forums Recht“ für Karlsruhe ist, so unverständlich sind die Argumente, mit denen die einflussreiche Initiativgruppe im Schulterschluss mit der Stadtverwaltung einen großvolumigen Neubau ausgerechnet im Parkgelände zwischen Karlstor und dem Hauptgebäude des Bundesgerichtshofs, dem ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais, politisch durchsetzen will. Neben funktionalen Gründen werden für die Eignung des vorgesehenen Bauplatzes auch städtebauliche und historische Gründe vorgebracht, die bei wirklicher Kenntnis des Ortes und seiner Geschichte nicht haltbar sind.

So wird Bezug genommen auf das ehemalige Wachgebäude des Erbgroßherzoglichen Palais auf der Ostseite des Karlstors, das im Zuge des autogerechten Ausbaus der Kreuzung von Kriegs- und Karlstraße 1969 abgerissen wurde. Dieser eingeschossige Sandsteinbau mit Säulenportikus im Stil Friedrich Weinbrenners war 1911/12 errichtet worden. Er beherbergte ursprünglich die Wachsoldaten von Großherzog Friedrich II. und Großherzogin Hilda, die bis zum Ende der Monarchie nicht im Residenzschloss, sondern im bequemeren Durm’schen Palaisbau lebten. Der Baukörper schirmte den Palaisgarten gegen den Verkehr der Karlstraße ab, ließ aber angesichts seiner bescheidenen Dimensionen das Grün des Parks weiterhin in den Platzraum hineinwirken und konkurrierte räumlich nicht mit dem erhöht auf seinem Hügel thronenden Palais. Dieses kleine Nebengebäude, das im Bereich des östlichen Bürgersteigs – also in der Verkehrsfläche des heutigen Platzes – stand, jetzt im Zuge der aktuellen Diskussion als Legitimation für das Forum Recht heranzuziehen, zeugt nur von einer unzulässigen Verschleierungstaktik. Denn das geplante Forum wird sich als groß dimensionierter, mehrgeschossiger Bausolitär mitten im Garten in Konkurrenz zum Palais erheben, wie das vorgesehene Baufenster zeigt. Dafür ist nicht nur das Fällen von Bäumen notwendig, sondern das Projekt wird die städtebauliche Situation tiefgreifend verändern und das Stadtbild in diesem Bereich stark beeinträchtigen.
Bedeutete die Baugruppe von Erich Schelling zur Erweiterung des Bundesgerichtshofs im Garten entlang der Herrenstraße in den 1950er-Jahren bereits eine Schmälerung des Erscheinungsbilds des neobarocken Hauptgebäudes, so wird das „Forum Recht“ den im Sinne des Historismus allansichtigen Monumentalbau von Josef Durm aus den 1890er-Jahren nun vollends in den Hintergrund drängen. Es ist unverständlich, dass die Landesdenkmalpflege hier fachliche Bedenken nicht vehementer einbringt. Auf die exponierte Freistellung dieses letzten Schlossbaus der badischen Monarchie, bei dem Architektur und Garten eine untrennbare Einheit bilden, darf aus architekturhistorischen und denkmalpflegerischen Gründen nicht verzichtet werden.

Überhaupt ist die Zerstückelung des Gartens, die Negierung seiner historischen Bedeutung für Karlsruhe, ein Skandal. Es geht hier nicht nur um das Fällen von einigen ersetzbaren Bäumen, sondern um die Tatsache, dass eine Gartenanlage, die bis ins Jahr 1817 zurückreicht und zusammen mit dem östlich angrenzenden Nymphengarten eine gartenhistorisch bedeutsame Grünzone am südlichen Rand der Innenstadt bildet, als schnödes Bauland angesehen wird. Dies betrifft ebenso den Bereich an der Ritterstraße südlich des Gebäudes des Oberkirchenrats, der in den letzten Jahrzehnten zum Parkplatz verkam und wie selbstverständlich ebenfalls für den BGH geopfert werden soll.
Und schließlich sind auch im Hinblick auf den ehemaligen Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts am südlichen Ende des Schelling’schen Erweiterungsbaus entlang der Herrenstraße denkmalpflegerische Bedenken angebracht. Der Pavillon, der sich in Höhe und Bauflucht noch dem Palais unterzuordnen sucht, soll dem „Forum Recht“ zugeordnet werden. Das bedeutet, dass er aus seinem baulichen und historischen Kontext mit dem über einen verglasten Gang angeschlossenen Verwaltungsgebäude herausgelöst und in der funktionalen Zuordnung umgedreht werden muss. Kann man sich tatsächlich vorstellen, dass er künftig von Süden vom geplanten Neubau her erschlossen wird?
Wie bei anderen Architekturwettbewerben in Karlsruhe verweist man die Bürger auch im Fall des „Forums Recht“ im Palaisgarten beschwichtigend auf die Kreativität der Architekten, die es schon richten werden. Wettbewerbsergebnisse sind allerdings immer nur so gut wie der Rahmen, den der Bauherr vorgibt. Im Fall eines durchgeboxten „Forums Recht“ im Parkareal neben einem Hauptwerk des badischen Historismus gehen Bauprogramm und Bauplatz nicht konform – allen schnell zu durchschauenden verbalen Beschwichtigungen zum Trotz.
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