Bemerkungen von Heinrich Hauß

FAZ Artikel 5.10.17Zum Artikel von Andreas Rossmann: „Unter dem Stadtniveau. Karlsruhe verlegt die Straßenbahn unter die Erde, und Markus Lüpertz bewirbt sich als Trittbrettfahrer“ schreibt Heinrich Hauß in der Badischen Heimat 4/2017:

Nach Beobachtungen der „Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Stadtbild“ ist es wohl das erste Mal, dass das U-Strab-„Ingenieurbauwerk“ und seine Folgen für das innerstädtische, bislang als unverwechselbar gehaltene, weithin gerühmte Stadtbild von Karlsruhe kritisch untersucht und der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Wohlgemerkt von außen durch eine große deutsche Tageszeitung! Das erklärt vielleicht auch, warum die örtliche Presse von dem Artikel bislang keine Notiz genommen hat.

Das „technische Bauwerkt“ wird in dem Aufsatz als „unter dem Stadtniveau“ beurteilt, es gerate „zum Angriff auf das Herz der Stadt.“ Mit Herz der Stadt ist der Marktplatz mit Stadtkirche und Rathaus gemeint. „Der Marktplatz wird in seiner Symmetrie durch Aufbauten zerstört, knapp vor dem Portikus der Evangelischen Stadtkirche wird ein Eingang mit massiven Brüstungen aus dem Boden auftauchen, und beim gegenüber stehenden Rathaus ist ein Kubus für den Fahrstuhl vorgesehen“ (Rossmann). „Die Konzeption der U-Strab ist allein von der Funktion her gedacht, ein technisches Bauwerk, das ohne Rücksicht auf Stadtbild, Stadtraum und Sichtbeziehungen realisiert wird“ (Kabierske). Rüde werden durch die Betonwände seitlich der Ein- und Ausfahrtstrecken zusammengehörige Straßenräume zerschnitten.

Die Planung und Ausführung eines solchen Bauwerks, das funktional von unten her gedacht ist und ebenerdig darüber die Verteilung der Öffnungen im Platz bestimmt, geschieht ohne Verständnis und Respekt gegenüber der gewachsenen Gestalt der Innenstadt, kann nur mit einem Wort als barbarisch oder ungebildet bezeichnet werden, kulturgerechtes Handeln sähe anders aus. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, ist es unglaublich, dass die Folgen für das Stadt- und Erscheinungsbild von den „Experten“ nicht rechtzeitig erkannt und thematisiert wurden, um dann doch noch die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern! Noch im Jahr 2006 sollte der „Karlsruher Fächer durch eine stärkere Betonung eine größere Bedeutung“ erhalten und zu „einer gesteigerten Identifikation der Bürger mit ‚ihrem‘ Karlsruhe führen“ (Zukunftskonferenz „Innovation und Lebensqualität“, 27./28.Januar 2006). Die bislang einzige Empörung über die Planungen der Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (KASIG) mit öffentlicher Resonanz löste der projektierte Abluftkamin am Karlstor aus (etwa 20 Meter Höhe, 5 Meter Durchmesser). Hier zeigte sich auf unverblümte Weise die Ignoranz der Planer („Eingriff ins Stadtbild unakzeptabel“. Leserbief der Arbeitsgemeinschaft in den BNN vom 23.11.2013). Später wurde in einer Veranstaltung des Stadtbauforums am 13. März 2014 im K-Gebäude über die Aufbauten für die Zu- und Abgänge und Treppenläufe erstmals gesprochen, allerdings zu einem Zeitpunkt, als der Wettbewerb schon stattgefunden hatte und die Aufträge zur Planung und Ausführung bereits erteilt waren.

Es wurde den Bürgern der Stadt erst durch einen Aufsatz in der FAZ jetzt klar oder klar gemacht, dass die Planung der Zugänge von der KASIG offenbar ohne Kenntnis und Rücksicht auf das Stadtbild projektiert wurden und wohl auch ausgeführt werden.

Die jetzt sichbar werdenden innerstädtischen Folgen durch den negativen Eingriff in die Fächerstruktur, auf den Marktplatz, den Europaplatz, auf Gehflächen in der Kaiserstraße und auf den Platz am Durlacher Tor, weiter durch Zerstückelung von Straßenräumen und Verdecken von Sichtachsen (etwa Lammstraße zum Schloß) sind nur erklärbar durch eine verblendete Großstadt-Untergrundbahn-Euphorie der Verantwortlichen in den 1990er Jahren (alle Linien der Straßenbahn fahren durch die Kaiserstraße). Die KASIG hat sich auch nicht gescheut, Zugänge zur U-Strab in den Fächer hinein zu bauen! Erschwerend kommt hinzu, dass die Planung der U-Strab offensichtlich ohne Mitsprache der Stadtplanung und anderer Fachbehörden allein der KASIG überlassen wurde. Wir nehmen an, dass wohl keine Großstadt in Deutschland durch den Bau einer „Untergrundbahn“ so im Zentralbereich beeinträchtigt wurde wie die „Fächerstadt“ Karlsruhe. Hätte man bei der Kombilösung zuerst mit der Kriegsstraße begonnen, wie von vielen Bürgern gefordert, hätte sich im Laufe des Umbaus vielleicht herausgestellt, dass die Kaiserstraßen-U-Strab sich womöglich erübrigt hätte, ein Vorteil, da solche Straßen (Flaniermeile) sonst durch das veränderte Kaufverhalten an Attraktivität verlieren. Nach nun sieben Jahren Bauzeit ist zudem der angestrebte urbane und ökonomische Erfolg ab 2020 (der geplanten Fertigstellung) durchaus in Frage gestellt.

Das schon genannte Stadtbauforum 2014 mit dem Thema „Neugestaltung der Kaiserstraße und Marktplatz“ machte die Teilnehmer mit den Betonaufbauten an den Eingängen der U-Strab und auf dem Marktplatz erstmals bekannt. Auf kritische Einwände erwiderte damals der Baubürgermeister Obert, „Wettbewerbe sind zu achten. Punktum!“. In dem genannten Stadtbauforum hat G. Kabierske dringend einen kritischen Diskurs zur Auseinandersetzung mit dem Stadtbild angeregt. Weiter hat sich G.Leiber in einem Schreiben an das Stadtbauamt gewandt wegen der „vorliegenden Entwürfe zur Neugestaltung des Marktplatzes“, insbesondere der über das „Platzniveau herausragenden betonierten Treppenwangen der U-Bahn-Auf- und Abgänge“. Er wies im Gegensatz dazu auf durchaus übliche durchbrochene, meist kunstvoll gestaltete Metallgeländer hin, wobei der Blick auf die Platzfläche optisch nur minimal unterbrochen und gestört würde. Als Beispiel nannte er die U-Bahntreppen der Metro in Paris an Straßen und (im Kleinformat) das Geländer um die Nottreppe für die Tiefgarage am Friedrichsplatz in Karlsruhe.

 

(Veröffentlichung dieses Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors und Herausgebers der „Badischen Heimat“)